Erzählungen aus der Lithothek (4)

Peter Köhlen und die etruskischen Schlacken in der Barattibucht

Peter Köhlen ist ein begeis­tert­er Min­er­alien­samm­ler und Züchter von Orchideen. Er hat nach Hannes Rose einige Jahre lang die Arbeits­gruppe Micro­mounter der Münch­en­er Min­er­alien­fre­unde geleit­et. Und er war ein­er der Mit­be­grün­der unser­er Lithothek, ein­er der ersten, der den Gedanken ver­trat, unseren Samm­lun­gen durch deren Verge­sellschaf­tung eine Zukun­ft zu geben, auch über die Sam­meltätigkeit des Einzel­nen hin­aus. Und er hat als ein­er der ersten seine eigene Samm­lung in die Lithothek eingebracht.

Unsere neue Samm­lungsver­wal­tung gibt ihm die Möglichkeit, auch heute noch und von zu Hause aus bei uns mitzuar­beit­en: Er hat (und diese Aus­sage gilt für jeden Men­schen auf der ganzen Welt, der unsere Ein­ladung mitzu­machen angenom­men hat) von seinem eige­nen PC aus die Möglichkeit, jedes einzelne Samm­lungsstück aufzu­rufen und dessen Doku­men­ta­tion im Bedarfs­fall zu verbessern. Die Tat­sache, daß er früher jede Fund­stelle mit akribis­ch­er Genauigkeit doku­men­tiert hat (z.B. Art der Fund­stelle, ihre genaue Lage und Koor­di­nat­en), kommt unser­er Samm­lung heute noch zugute. Und Peter macht von dieser Möglichkeit reich­lich Gebrauch.

Seine beson­dere Liebe gilt den Schlack­en­min­er­alien. Diese sind ein eigenes Kapi­tel. Wenn es nach der IMA geht (Inter­na­tion­al Min­er­al Asso­ci­a­tion), dann dürften Stoffe, die aus der Schlacke ent­standen sind, gar nicht als Min­er­alien beze­ich­net wer­den. Es fehle ihnen an der Voraus­set­zung, das Ergeb­nis eines natür­lichen geol­o­gis­chen Prozess­es zu sein, so die Begrün­dung der IMA. Über diese Begrün­dung läßt sich end­los disku­tieren. Was ist mit den Min­er­al­bil­dun­gen auf Halden? Was ist mit den Min­er­alien, die ihre Exis­tenz dem Feuer­set­zen im mit­te­lal­ter­lichen Berg­bau zu ver­danken haben? Was ist mit dem Min­er­al “Bojar­it”, das erst 2020 anerkan­nt und zum Min­er­al des Jahres gekürt wurde? Es ver­dankt seine Entste­hung let­ztlich den Exkre­menten chilenis­ch­er Seevögel.

Peter Köhlen
Bild M. Seitz
Mala­chit, (BB = 1,9 mm)
Bild P. Köhlen
Schlack­en­strand von Barat­ti
Bild P. Köhlen

Wir beteili­gen uns an diesen Diskus­sio­nen nicht. In unser­er Lithothek find­en sich viele wun­der­schöne und hoch inter­es­sante Samm­lungsstücke, die sich aus der Schlacke gebildet haben. Und viele davon stam­men aus der ehe­ma­li­gen Samm­lung von Peter Köhlen. Einige Pho­tos sollen dies ver­an­schaulichen. Wesentlich mehr Bilder kön­nt Ihr im Min­er­alien­at­las sehen.

Uns stört lediglich die Tat­sache, daß immer wieder neue “Min­er­alien” ent­deckt und auch beschrieben wer­den, ohne daß diese die Chance haben, einen all­ge­mein verbindlichen Namen zu erhal­ten. Die Folge davon ist, daß diese Stoffe unter ver­schiede­nen Beze­ich­nun­gen durch die Samm­lun­gen und die Lit­er­atur geis­tern. Im Zweifels­fall ist es sehr schw­er zu erken­nen, ob unter ein­er ein­heitlichen Beze­ich­nung ein iden­tis­ches oder ver­schiedene Min­er­alien gemeint sind, oder ob es sich bei zwei ver­schiede­nen Beze­ich­nun­gen vielle­icht nicht doch um ein iden­tis­ches Min­er­al handelt.

Ata­camit (BB= 1,8 mm)
Bild: H. Osterhammer
Goethit, psm n. Gips (BB = 3.8 mm)
Bild B. Bogusch
Cuprit (BB 0,6mm)
Bild: Mat­teo Chinellato

Man kann über Schlack­en­min­er­alien dicke Büch­er schreiben. Ich werde mich hier auf einen ganz kleinen Auss­chnitt beschränken, näm­lich auf die etruskischen Schlack­en, die in der Bucht von Barat­ti gefun­den wer­den kön­nen, und wo auch Peter sehr viel gesam­melt hat.

Die Etrusker lebten zwis­chen 800 vor Chris­tus und 1000 nach Chris­tus unter anderem in der heuti­gen Toskana. Ein Zen­trum der etruskischen Kul­tur lag bei Pop­u­lo­nia, ein­er Stadt auf einem fel­si­gen Vor­sprung an der Küste südlich des Golf von Barat­ti. Die Bedeu­tung von Pop­u­lo­nia begrün­dete sich in der Ver­hüt­tung des Eisen­erzes in der Bucht von Barat­ti, das von Elba aus an die Küste des Fes­t­landes ver­bracht wurde. Es müssen riesige Men­gen an Eisen­erz ange­landet wor­den sein. Noch heute ist der Strand bei San Cer­bone an der Barat­tibucht von fein­sten Hämatit­split­tern schwarz gefärbt. Die bei der Ver­hüt­tung des Erzes entste­hende Schlacke wurde direkt am Strand abge­lagert oder ins Meer geschüttet.

Mit der in der Antike ver­wen­de­ten Holzkohle kon­nten nicht so hohe Tem­per­a­turen erzeugt wer­den wie dies mit den mod­er­nen Tech­niken möglich ist. Als Folge hier­von blieben viel Erzreste in der Schlacke zurück, die mit den im Meer­wass­er enthal­te­nen Ele­menten reagierten und Sekundär­min­er­alien bildeten.

Im ersten Vier­tel des 20. Jahrhun­derts erkan­nte man den reichen Erzge­halt der antiken Schlack­en. Bed­ingt auch durch die kriegerischen Aktiv­itäten in dieser Zeit stieg der Bedarf an Met­allen für die indus­trielle Weit­er­ver­ar­beitung. Es waren inzwis­chen Tech­nolo­gien entwick­elt wor­den, die die Wieder­auf­bere­itung der antiken Schlack­en als dur­chaus rentabel erscheinen ließen. Als man damit begann, die meter­dicke Schicht antik­er Schlack­en neuerd­ings zu ver­hüt­ten, stieß man unter der Schlacke auf ein sehr gut erhaltenes etruskisches Gräber­feld, Kern und Mit­telpunkt des heuti­gen archäol­o­gis­chen Parks.

Über viele Jahre hin­weg war der Strand von Barat­ti ein Eldo­ra­do für Micro­mounter. In den Höh­lun­gen der Schlack­en­brock­en ließen sich fast 100 unter­schiedliche Min­er­alarten find­en, Sekundär­bil­dun­gen aus Kupfer, Blei, Zink, Eisen und anderen Met­allen. Es war wichtig, darauf zu acht­en, dass man nicht die leicht­en und glasi­gen Schlacke­brock­en aus der mod­er­nen Ver­hüt­tung unter­suchte, son­dern sich auf die schw­er­eren und und porösen Schlack­en aus der antiken Ver­hüt­tung konzen­tri­erte. Nur die antiken Schlack­en sind wirk­lich mineralreich.

Heute ist das Sam­meln weit­ge­hend unter­sagt. Auch hier hat der Natur- und Land­schaftss­chutz enge Gren­zen geset­zt. Was aber noch immer bleibt, das ist die vielle­icht angenehm­ste Art des Sam­melns. Man steigt ins erfrischende Nass des Meeres und taucht die Schlacke­brock­en aus ein­er Tiefe von vielle­icht drei Metern heraus.

Dr. Man­fred Seitz